ÖKOLOGISCHE BIENENHALTUNG
Apicultura Lanzarote ist seit 2013 Teil der biodynamischen Finca Lomos Altos.
Bienenhaltung und Imkerei auf Lanzarote erscheint vielen Besuchern und auch Einwohnern der Insel als ein “Ding der Unmöglichkeit”. Unsere extensive, biologisch zertifizierte Imkerei unterstützt nachhaltige Landwirtschaft auf Lanzarote bei der Bestäubung von Obst und Gemüse mit über 50 Bienenvölkern an mehr als 20 verschiedenen Standorten. Da es hier keine winterbedingte Brutpause gibt und die Bienen ganzjährig ausfleigen können wir auf eine Fütterung mit Zucker gänzlich verzichten.
Gerne stehen wir Imkern und anderen Interessierten Besuchern mit detallierteren Informationen über unser Projekt bereit. Unseren Honig können sie zu den Erntezeiten im Bioladen im Centro erwerben.
Bienenbestäubung erhöht Qualität und Erträge in der Landwirtschaft
Artikel, erschienen in NNA-NEWS am Mo, 04. September 2018 von NNA-Korrespondentin Cornelie Unger-Leistner. Fotos: Cornelie Unger-Leistner
Ein erfolgreiches Projekt in der Bienenhaltung auf Lanzarote setzt auf artgerechte Haltung. Das hat viele Vorteile für Biene und Mensch.
Was mit sechs von Gran Canaria eingeführten Bienenvölkern begann, hat sich auf der Kanareninsel Lanzarote zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt – 54 Bienenvölker haben Klaus Guttenberger und seine Mitstreiter von Apicultura Lanzarote inzwischen an 20 Standorten der Vulkaninsel verteilt – sehr zur Freude der Landwirte. *NNA-Korrespondentin Cornelie Unger-Leistner *hat den Imker besucht.
PUERTO DEL CARMEN/LANZAROTE (NNA) – Ich treffe Klaus Guttenberger, zu diesem Zeitpunkt noch Leiter des WWF-Regionalbüros auf den Kanarischen Inseln, außerhalb des Touristenortes Puerto del Carmen auf der Finca Lomos Altos.
Er lebt seit rund 30 Jahren auf Lanzarote. Zwei Bienenvölker von Apicultura haben am Rande der Finca ein Zuhause gefunden, die zum anthroposophischen Centro de Terapia auf Lanzarote gehört. Dessen Gründer Lilo und Enrique Winzer hatten hier ihren Wohnsitz, heute können sich dort Touristen einmieten.
Seit fünf Jahren beschäftigt sich der Umwelt-Aktivist Guttenberger mit dem Thema „Bienen auf Lanzarote“. Ursprünglich gab es auf der Vulkaninsel zwar wilde Bienen, aber – soweit jedenfalls die historischen Dokumente – keine Bienenhaltung. Heute gibt es ca. 200 Bienenvölker auf Lanzarote, die überwiegend in konventioneller Haltung leben. Guttenberger und seinen Kolleginnen geht es jedoch um artgerechte Bienenhaltung. Eines der beiden Bienenvölker, die am Rande der Finca Llomos Altos zu finden sind, lebt in der vorbildlichen „Einraumbeute“, die für nachhaltige Bienenhaltung empfohlen wird.
Anlass für das Projekt Apicultura, bei dem noch Darlene Kist aus den USA und die Imkerin Betty Bonanni aus Argentinien mitmachen, war zunächst eine Hilfestellung für die biologische Landwirtschaft auf der Insel. „Wo Bienenhaltung stattfindet, werden Erträge und Qualität gesteigert z.B. bei Erdbeeren, Tomaten, Kürbissen, Zucchini oder Melonen. Die Bauern, auf deren Gelände wir die Bienenvölker angesiedelt haben, möchten sie nicht mehr missen“, berichtet Guttenberger. Kürbisse hätten die Bauen in Lanzarote zum Beispiel immer schon von Hand bestäuben müssen, diese Arbeit übernehmen nun die Bienenvölker.
Die positive Funktion der vom Menschen gehaltenen Bienenvölker im Vergleich zu den Wildbienen ergibt sich dadurch, dass Wildbienen von Pflanze zu Pflanze fliegen, während sich die domestizierten Bienen an eine Art Pflanze halten. „Sie fliegen nicht vom Birnbaum zum Rosmarin, sondern bleiben z.B. bei den Birnen, wenn sie einmal dort unterwegs sind. Das macht ihre Bestäubung so wertvoll für die Pflanzen“.
Sonderstellung
Klaus Guttenberger hat sich auch mit der Lage der Bienen im allgemeinen beschäftigt: „Die Bienen nehmen in der Tierhaltung des Menschen eine Sonderstellung ein, sie sind zwar domestiziert, aber sie sind trotzdem draußen in der Natur frei unterwegs - das macht sie so verletzlich.“ Das weltweite Bienensterben hänge vor allem mit den Bedingungen zusammen, unter denen die Bienen überall gehalten werden. „Das ist im Grunde wie in der anderen konventionellen Tierhaltung , da geht es um Ertragssteigerung des Imkers und das Wohl der Bienen spielt erstmal keine Rolle“.
Hinzu kommt die Intensivlandwirtschaft, die durch Monokulturen und Einsatz von Pestiziden die Lebensbedingungen der Bienen dramatisch verschlechtert hat: „Da gibt es überhaupt keine Nischen mehr mit Wildkräutern, jeder Quadratmeter wird ausgenutzt“. Alle diese Faktoren zusammen führten zu einer Schwächung der Bienenvölker. In den USA sei für den aktuellen Zustand bereits das Wort vom „Bee Disease Collapse“ (BDC) geprägt worden.
In Lanzarote finden die Bienen bessere Bedingungen vor, da die Wasserknappheit auf der Insel nur extensive Landwirtschaft erlaubt. „Erträge erwirtschaften wir zwar noch nicht, aber unseren Honig gibt es in verschiedenen Bioläden der Insel jetzt schon zu kaufen“. 250 Kilogramm Honig werden bislang erzeugt, durchschnittlich 8 Kilo pro Jahr und Volk, Apicultura ist einer der Pioniere im Bereich des Biohonig auf der Insel. „Mit der konventionellen Bienenhaltung in Europa ist das natürlich nicht zu vergleichen, da sind 30 Kilo pro Volk die Norm. Aber das Bienensterben zeigt, dass man auch hier – wie in der ganze Intensivtierhaltung – zunehmend an Grenzen stößt. Deswegen war unsere erste Frage bei Apicultura : Was wollen die Bienen?“
Wesensgemäße Haltung
Bei Hühnern und anderen Haustieren ist es leicht ersichtlich, worin die „Käfighaltung“ oder Intensivtierhaltung besteht, bei den Bienen ist ein komplexeres Verständnis notwendig. Bei Mellifera e.V. informierten sich die Apicultura-Aktivisten über Bedingungen für artgerechte Bienenhaltung. Die wesensgemäße Bienenhaltung wurde von Imkern seit den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts entwickelt auf der Basis der Angaben von Rudolf Steiner. Im Umfeld der Lehr- und Versuchsimkerei Fischermühle begannen sie, neue Betriebsweisen zu erproben.
Als Grundlagen gelten die Vermehrung der Bienenvölker durch Schwarmtrieb, die Bienenvölker dürfen ihre Waben selbst bauen und es wird darauf verzichtet, künstlich Königinnen nachzuzüchten. Diese Grundsätze gingen auch in die 1995 von Demeter e.V. formulierten Richtlinien für Bienenhaltung ein. Diese Grundsätze widersprechen der Praxis der konventionellen Imkerei, die den Schwarmtrieb mit allen Mitteln unterdrückt, den Bienen Mittelwände für den Wabenbau in Einheitsgröße vorgibt und bei der die Königinnen von Züchtern aufgezogen und an die Imker versandt werden. Tierwohl ist bisher für Bienen nicht wirklich formuliert, das deutsche Tierschutzgesetz verlangt z.B. nur einen „respektvollen Umgang“ mit ihnen.
Die von Mellifera e.V. entwickelte Einraumbeute hat sehr große Waben, die für den eigenen Wabenbau der Bienen konzipiert worden sind. Das ganze Volk findet in einem einzigen Raum Platz und wird nicht in verschiedene Räume unterteilt. Die Hochwabe in der Einraumbeute gewährleistet eine gute Eigenversorgung der Bienen mit Honig. Einer dieser wesensgemäßen Bienenstöcke findet sich auf der Finca Lomos Altos.
Bleiben die Bienen auf Lanzarote nun durch artgerechte Haltung von den Gefahren verschont, die die Bienen überall auf der Welt bedrohen? „Wir haben hier auch nicht das Paradies, Parasiten gibt es bei unseren Bienen auch, aber die afrikanische Bienensorte, die wir hier haben – sie heißt Abjea Negra Canaria – ist auch resistenter“.
Unterschiede
Bereits bei ersten Blick auf den Bienenstock am Rande der Finca sieht man den Unterschied: Die Bienen sind wesentlich kleiner als die europäischen und viel dunkler. Sie verhalten sich auch anders. Bei diesen Bienenvölkern verteidigen nicht nur die Wächterbienen den ganzen Bienenstock, sondern alle Bienen und sie sind auch wachsamer und angriffslustiger. Klaus Guttenberger achtet immer darauf, dass er nur in kompletter Schutzkleidung an den Bienenstöcken arbeitet und die NNA-Reporterin konnte sich in ihren Shorts auch nicht an den Bienenstock heranwagen, nachdem Klaus Guttenberger den Deckel abgehoben hatte, um die artgerechte Haltung zu erklären.
Die Diskussion, ob diese resistenteren afrikanischen Bienenarten möglicherweise gekreuzt mit den europäischen Bienen eine Lösung für das Problem des Bienensterbens darstellen könnten, ist aus der Sicht Guttenbergers nicht wirklich sinnvoll:
„Die afrikanischen Bienen eigenen sich nicht für die Haltung in dicht besiedelten Gebieten. Außerdem ist es wichtiger, die Bedingungen für die Haltung der Bienen - wie auch der anderen Tiere – im Sinn des Tierwohls zu verändern“.
Klaus Guttenberger sieht in der Bienenfrage darüber hinaus ein wichtiges Zeitgeistthema. „Für mich hat so ein Bienenstock eine ungeheuer positive Ausstrahlung. Da geht es um sinnvolle Arbeitsteilung und um das Zusammenleben im Verbund, es heißt ja in Deutsch auch „der Bien“, das ist schon ein Organismus, an dem man sich abschauen kann. Wer sagt den Bienen z.B., was sie tun sollen? Woher kommt die ganze Organisation des Bienenvolks?“
Besonders beeindruckt hat ihn in diesem Zusammenhang das Buch von Thomas D. Seeley /Bienendemokratie/. In diesem Buch entschlüsselt der Forscher, der sein ganzes Leben den Bienen gewidmet hat, unter anderem die Sprache der Bienen und zeigt, wie ihre Schwarmintelligenz zu gemeinsamen Entscheidungen kommt. Klaus Guttenberger, der demnächst in Rente geht, freut sich vor diesem Hintergrund darauf, bald noch mehr praktisch und theoretisch in der Bienenhaltung tätig zu werden.